Hallo,
Buchvorstellung
Kontakt
Gästebuch
Fetzen
Zu Arno Schmidt
Der Gottesmann
Milka oder Schlachtgraus (Überarbeitete Fassung)
Schlachtgraus
Zwangsvorstellungen
In der Falle
Wie ich hierher gelangte
Kontrapunkt
Kassandra
Kall und Rother
Durchgedreht
Die Sonne
Eine ganz gewöhnliche Frau
Engel
Wenn
Das Geheimnis
Reiten und reiten
Das Marmormädchen
Niedergang
Schwarze Splitter
Lachendes Entsetzen
Mikrokosmos
Vision
Lichterscheinung
Die Erbsünde
Ein Mißverständnis
Monolog oder Rondo
Die Sirene
Vorfreude auf Damenbesuch
In feuchter Erwartung
Kinderschänder
Unverhofft
Mahlzeit!
Ich bestimme die Welt!
Friedhof
 

Ein Mißverständnis

Bleich ist sie, ein Gespenst. Die Dauerwellen in Auflösung, nur noch ein Geschlinge nicht mehr sitzender weißer Haare. Die Kopfhaut ebenso farblos. Darunter dieses schlaffe Gefältel eines eingefallenen, erloschen wirkenden Gesichts, aus dem als einziger Kontrast ein roter Fleck auf der linken Wange aufleuchtet, eine blutig gekratzte Stelle.

Kann sie mal wieder das Piddeln nicht lassen, denkt Lutz, ihr Sohn, der, die Umhängetasche geschultert, müde die steile Treppe hinaufgestiegen und so in ihr Blickfeld gelangt ist: zuerst mit dem Kopf, auf dem die beginnende Glatze wie eine Tonsur schimmert im dämmrigen Treppenhauslicht.

Sein Besuch scheint keine Freude in ihr auszulösen, vielmehr Mißtrauen, sogar Angst. Jedenfalls heitert sich ihr Gesicht nicht auf, sondern zieht sich zusammen.

Hallo.

Hallo.

Matt wird diese Begrüßungsformel gewechselt.

Wie geht’s?

Schulterzucken ihrerseits – übersetzt: Wie soll’s schon gehen.

Da ist er also. Am liebsten möchte er auf dem Absatz kehrt machen. Abhauen. Die Strecke zurück durch ödes Industriegebiet. Wie konnte sie nur in die häßlichste Ecke der Stadt ziehen? Geschmack hat sie noch nie gehabt. Jedesmal bekommt er eine Depression, wenn er aus dem Bus steigt und durch diese leblose Gegend wandert, verschandelt von Wellblechhallen, Möbellagern, Gartencentern, Stellplätzen mit Hunderten neuer oder gebrauchter Autos und riesigen Stromaggregaten. Doch es gibt keinen anderen Weg. Da drüben standen früher die Nutten auf dem Straßenstrich: für ihn das einzig Interessante hier – zumindest als Kind. Im Gegensatz zu diesen auffälligen Frauen diese total unscheinbare: seine Mutter – in dem versteckten, zurückgesetzten Zweifamilienhaus, wo sie das ausgebaute Dachgeschoß bewohnt.

Nichts zieht ihn zu ihr hin, aber einmal im Monat muß er sie besuchen. Aller Schwung des Weitgereisten, aus der Ferne Zurückgekehrten fällt angesichts ihres Schulterzuckens und mürrischen Gesichts in sich zusammen. Jetzt nimmt er diesen Geruch wahr, der von ihr ausgeht. Panik, es könnte schon so weit sein, daß sie sich nicht mehr sauberhalten kann und er nun doch genötigt wäre, einen Pflegedienst für ihre tägliche Körperpflege einzuschalten, obwohl die Finanzierung nicht geklärt ist: solange die Pflegekasse sich querstellt, muß er selber alles bezahlen. Er spürt wieder diesen Haß auf alles Bürokratische, in dem er sich wie in einem Labyrinth verloren fühlt: nur Hindernisse, und keine Lösung in Sicht.

Zögernd, fast widerwillig macht sie die Tür frei. Sie weicht zurück in ihre Wohnung, er hinterher – ein Eindringling. Schnüffeln: ewig nicht mehr gelüftet. Trotzdem ist er erleichtert, nichts Bedrohliches zu riechen, etwa angebrannte Essensreste oder durchgeschmorte Kabel: ständig die Angst, sie könnte die Bude in Brand stecken.

Aber dieser Achselschweißgeruch: Hinweis auf ihre mangelnde Hygiene. Sie müßte unbedingt die Bluse wechseln – aber wie ihr das klarmachen, ohne daß sie sich gleich angegriffen fühlt? Er hat das Bedürfnis, die Fenster aufzureißen, frischen Wind hereinzulassen in diesen Mief, der nicht nur von der verbrauchten Luft herrührt, sondern auch auf den kurz bevorstehenden Sturz ins Chaos hindeutet. Jeder neuerliche Schub ihrer Krankheit kann ihn auslösen: unerträglich die Ungewißheit.

Nicht dran denken. Er folgt ihr ins Wohnzimmer, setzt seine Tasche  auf dem Sitzkissen ab und stellt fest, daß hier alles tiptop sauber ist – zumindest oberflächlich. Im Geiste sieht er sie auf allen vieren über den dunkelroten Teppich kriechen und mit einer Kleiderbürste jeden Quadratzentimeter abbürsten, bis alles so staubfrei ist wie in einer Glasvitrine im Museum, wo die Zeit ebenso stillzustehen scheint wie hier: nur die Flecken an den Wänden zeugen von ihr, als sonderte sie Schmutz ab, der durch die Rauhfasertapete dringt.

Zeit, sichtbar in den vergilbten Spuren, die unaufhörlich aus dem Nichts zu kommen scheinen, aus dem Verstreichen der Sekunden, die der Wecker auf dem seit Jahren nicht mehr benutzten Videorecorder ausspuckt. Ihm ist, als sei es nur dieses Ticktack, das auf Leben hindeutet: sinnlos wie das immerwährende Kreisen des Sekundenzeigers – das einzige, was sich hier noch bewegt.

Plötzlich, in einer Art Übersprunghandlung, bückt sie sich und streicht die ohnehin schon akkurat ausgerichteten Teppichfransen glatt, mit hastiger Hand, die ihre innere Anspannung verrät, während er das Fenster, vollbesetzt mit halbverdorrten Kakteen, auf Kippe stellt. Dabei muß er den Griff durch den Store hindurch packen, der an den Stacheln einer Pflanze hängenbleibt.

Vorsicht!

Mit einem Satz ist sie neben ihm, drängt ihn beiseite und schließt das Fenster wieder. Mit vorwurfsvollem Blick löst sie die Stacheln aus den feinen Nylonmaschen. Er muß sich beherrschen, sie nicht seinerseits zurückzustoßen und den ganzen Scheiß von der Fensterbank zu fegen und beide Flügel aufzureißen: Luft, Luft!

Stattdessen zieht er die fellgefütterte Jacke aus, die sie ihm gleich abnimmt, um sie – ja, wohin damit? Alles vollgehängt. Sie weiß nichts damit anzufangen, ist froh, als er sie ihr wieder abnimmt und sie kurzerhand auf seine Tasche wirft.

So, und nun? Sie sieht ihn fragend an mit ihren hellblauen, wie ausgewaschenen Augen hinter den dicken Brillengläsern: sie verleihen ihrem Gesicht etwas Konzentriertes, obwohl es nur eine künstliche Verkleinerung ist, die ihre Augen ungleich zusammenzieht. Sie sind mit unterschiedlichen Dioptrien korrigiert, so daß eins größer wirkt als das andere. Das irritiert ihn immer wieder.

Überhaupt verwirrt ihn die ganze Frau, vor der er sich jetzt wie gelähmt fühlt, als habe ihn eine Art Muskelschwund befallen. Gleich sinkt er vor ihr zusammen, wird zu einer knochenlosen Qualle, die in wellenartigen Kriechbewegungen vor ihr Reißaus nehmen will. Aber er entkommt ihr nicht, ist durch diese absurde Verwandtschaft mit ihr vernabelt. Wie einst als Fötus, als sie, um ihn, ihren Fehltritt, wieder loszuwerden, möglichst viele Treppenstufen auf einmal hinuntersprang. Als das nicht klappte, pumpte sie ihre Vagina mit Lauge voll, um ihn, den verhängnisvollen Schmarotzer in ihren Organen, herauszuspülen – ging auch nicht, und sie bohrte sich eine Stricknadel hinein: nur ihren wahnsinnigen Schmerzen, die sie vor einem weiteren Stochern abhielt, hat er seine Existenz zu verdanken.

Wäre ich doch mit ihrem Blutsturz ins Klo geschwappt und weggespült worden, dachte er, nachdem sie ihm auf seine Fragen hin alles anschaulich geschildert hatte – schon zunehmend dement: im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte hätte sie ihm das niemals erzählt!

Möchtest du was trinken? fragt sie und läuft schon in die Küche. Dort dreht sie sich ratlos um sich selbst. Was wollte sie noch? Sie beginnt, die ohnehin blitzblanke Nierosterspüle abzureiben, einen von einem Wassertropfen verursachten Fleck wegzuwienern.

Eine Cola, wenn du hast.

Ja richtig. Sie reißt die Kühlschranktür auf.

Hast du schon gegessen? fragt er und taucht im Korridor auf.

Ach, du wolltest was essen, sagt sie und stellt die Colaflasche zurück: mal gucken, was da ist.

Sie zählt auf, was sie im Kühlschrank entdeckt, als sei es ein Ratespiel für Kleinkinder, die schon die Begriffe für die meisten Gegenstände wissen.

Was ist das noch? fragt sie und hält ein Joghurt hoch. Er sagt es und fügt hinzu, es sei schon seit einer Woche verfallen. Dann sieht er selber nach und wirft die Hälfte in den Mülleimer. Sie steht beleidigt daneben. Wenn er weg ist, würde sie alles wieder einräumen. Darum muß er die Mülltüte im Eimer gleich mit runternehmen.

Ist das Essen auf Rädern schon gekommen?

Was?

Stimmt: sie kann sich ja nicht mehr daran erinnern. Er wird das nie richtig begreifen.

Im gegenüberliegenden Zimmer steht auf dem vollgestellten Tisch unter anderem die grüne Styroporbox. Er nimmt den Deckel ab: Schweinebraten mit Rosenkohl.

Kannst du essen.

Das ist aber für dich!

Ich hab keinen Hunger. Gib her, ich werf es ins Klo, sagt sie und reißt die Alufolie auf.

Dann eß ich es lieber, sagt er, nimmt sich eine Gabel und beginnt darin zu stochern. Er hat den Verdacht, daß sie das Essen jedes Mal ins Klo kippt.

Sie säubert die leergegessene Alufolie so penibel wie die Nierosterspüle und wirft sie in den gelben Abfallsack, der schon voll damit ist: geleckt sauber – er muß daran denken, ihn gleich ebenfalls zu entsorgen.

Du mußt was essen, sagt er eindringlich.

Ich kann nicht, wenn du kommst.

Vielen Dank.

Nicht was du meinst, aber dann geht bei mir alles durcheinander.

Hat auch nicht besonders geschmeckt.

Möchtest du was trinken? fragt sie, ohne sich daran zu erinnern, daß sie ihn das vorhin schon gefragt hat.

Eine Cola, wiederholt er

Ich weiß nicht, ob ich noch eine habe, sagt sie, sieht nach und zieht die Flasche aus der Kühlschranktür.

Gläser, Gläser – wo hab ich die bloß? fragt sie sich und reißt sämtliche Schranktüren auf.

In der Glasvitrine im Wohnzimmer, sagt er und bemüht sich, einen gereizten Unterton zu unterdrücken. Es gelingt ihm nicht ganz: sie hat ein feines Gespür dafür und sieht ihn jetzt halb ängstlich, halb aufgebracht an. Dann hat sie eine Lösung: Geld – sie muß ihm ja seine Ausgaben für die Herreise bezahlen. Sie weiß aber nicht, ob sie noch genug im Portemonnaie hat. Das ist mit dem Schlüsselbund und ihren Papieren in ihrer Handtasche, die sie schon seit Jahrzehnten hinten neben der Couch aufbewahrt: ihr Langzeitgedächtnis funktioniert noch tadellos – daher findet sie die Tasche auch immer auf Anhieb. Triumphierend wedelt sie mit aufgefächerten Hundertmarkscheinen in der Hand.

Du meine Güte, und die Geheimzahl auf einem Zettel steckt bestimmt mit ihrer Checkkarte zusammen!

Es ist nicht gut, mit soviel Geld herumzulaufen, sagt er resigniert: am besten tust du die großen Scheine in dein Versteck.

Versteck?

Dein Sparbuch im Sekretär.

Richtig! Sie läuft hin und kommt mit den letzten Kontoauszügen zurück. Die Hunderter schiebt sie wieder ins Portemonnaie, das sie zurück in die Tasche steckt.

Laß mal sehen, sagt er, doch sie versteckt die Auszüge hinter ihrem Rücken. Egal, er hat sie sich selber in ihrer Sparkasse besorgt: mit der Generalvollmacht geht das.

Hier, sagt er und präsentiert ihr einen Überweisungsauftrag, der den Kauf eines fünfzehnbändigen Lexikons aus einem Buchclub bestätigt: Dreitausend Mark!

Na und? Jetzt wird sie kiebig: ist ja ihr Geld – was geht ihn das an!

Ich hab mit dem Typ von der Kundenbetreuung telefoniert und ihm deine Situation geschildert.

Welche Situation?

Daß der Doktor sich genötigt sieht, dich für unzurechnungsfähig zu erklären, wenn du alles unterschreibst! sagt er brutal – und auch ein wenig sadistisch.

Ich hab nichts unterschrieben!

Und wer hat dann deine Unterschrift gefälscht? fragt er und hält ihr einen Schein hin.

Das ist nicht meine!

Ich hab ihn auf tausend...

Wen?

Den Kundenberater hab ich auf tausend Mark runterhandeln können.

Was für tausend Mark?

Ich laß dein Konto noch heute für dich sperren! sagt er ihr nicht laut ins Gesicht – denkt es vielmehr, eisig lächelnd.

Themenwechsel. Er hat ihre Lieblingsbonbons mitgebracht: Werther’s Original. Goldenes Glanzpapier: wie das gleißt und knistert! Sie strahlt ihn an. So hat er es früher als Kind bei ihr gemacht, wenn sie ihn im Heim besuchte und ihm Süßigkeiten mitgebrachte. Er freute sich dann mehr auf ihre Leckereien als auf sie. Sie hatte immer so etwas Herbes und Unnahbares, ja, Feindseliges an sich, ganz im Gegensatz zu Tante Trude. Die war nicht seine richtige Tante, aber lustig und warmherzig. Ihre Fürsorge tat ihm wohl, wie wenn die Schwester im dunklen Schlafsaal das Licht anknipste, nachdem er im Schlaf geschrien hatte.

Über dreißig Jahre später greift nun seine Mutter in die Bonbontüte, die er ihr mitgebracht hat, steckt sich ein Stück in den Mund und quiekt vor Wonne. Sie lutscht und schlürft mit geschlossenen Augen. Das Klümpchen klickert gegen die Gaumenplatte ihrer oberen Gebißhälfte – es macht ihn kribbelig: er kann das nicht hören, ohne eine Gänsehaut zu kriegen. Oh Gott, dieses Krachen: jetzt zerbeißt sie es auch noch. Damit macht sie noch ihr Gebiß kaputt, und er hat dann die Kosten am Hals, von den Zahnarztbesuchen ganz zu schweigen. Und wie sie dabei grunzt – widerlich!

Er rennt aus dem Zimmer in den Abstellraum, den sie fälschlicherweise Kabäuschen nennt und der vollgestopft ist mit Wegwerfflaschen, Zeitungsstapeln und weiteren Müllsäcken. Beherzt macht er sich daran, alles hervorzuzerren, auf dem Absatz im Treppenhaus abzustellen und es dann stückweise herunterzuschaffen. Sie steht ihm ständig im Wege. Er beherrscht sich und umgeht sie verbissen: in absurden Schlängellinien, als spielten sie Fangen.

Als er von einem Gang zum Glascontainer zurückkommt, hat sie den restlichen Abfall auf dem Treppenhausabsatz wieder ins Kabäuschen zurückgetragen. In stiller Wut zerrt er zwei Müllsäcke wieder hervor und schleift sie die Stufen hinunter. Sie folgt ihm diesmal, will ihn am Pullover zurückhalten, und er ist schon im Begriff, sich umzuwenden und sie anzubrüllen – als die Tür im ersten Stock aufgeht und die Nachbarin erscheint: die Mutter eines Mädchens, das hinter ihrem Rücken hervorlugt.

Gleich schaltet seine eigene Mutter vom quengelnden Tonfall auf einen zuckersüßen – wie verlogen du doch bist, denkt Lutz angeekelt: so hat sie auch früher mit der Nonne im Heim geredet.

Nach der Begrüßung fragt seine Mutter die Zehnjährige: Gehst Du schon zur Schule?

Sie nickt ernst. Wahrscheinlich weiß sie von der Verrücktheit der Alten.

Wann machst du denn dein Abitur?

Ich komme erst nächstes Jahr aufs Gymnasium.

Wie hübsch du bist! ruft seine Mutter mit Kopfstimme aus, will sie umarmen und abküssen. Das Kind entschlüpft ihr.

Und schon so groß – eine richtige kleine Dame!

Mutter!

Was ist denn! ruft sie ärgerlich und fährt zu ihm herum, gleichsam mit gezückten Krallen, während er der Nachbarin einen entschuldigenden Blick zuwirft.

Wir müssen noch was tun – kommst du bitte?

Hier, magst du? fragt sie ihn ignorierend, und hält dem Mädchen die Tüte mit Werther’s Original hin: Greif zu.

Die Kleine weicht zurück.

Wir haben auch noch was vor, schaltet sich jetzt ihre Mutter ein, nimmt höflichkeitshalber ein Bonbon aus der hingehaltenen Tüte, reicht es ihrer Tochter, die sie auffordert, Danke zu sagen, schließt die Wohnungstür, verabschiedet sich dann und geht die Treppe hinunter, die ihr Kind bereits fluchtartig hinabgesaust ist.

Klack, fällt die Haustür ins Schloß, und Lutz ist mit seiner Mutter wieder allein. Er kann sie nur ertragen, indem er sich in Arbeit stürzt – zum Beispiel putzt und aufräumt.

Nachdem er ihre Wohnung wieder auf Vordermann gebracht hat, ist es für die Heimreise schon zu spät. Es ist ihm aber unmöglich, den Abend mit ihr zu verbringen. Er gibt vor, noch Freunde und Bekannte aufsuchen zu wollen, und setzt sich in der Stadt ab, wo er die erste Hälfte der Nacht in Kinos verhockt und die zweite in Kneipen, bis die letzten schließen.

Im Morgengrauen kommt er betrunken zurück und knallt sich aufs Sofa. Kaum ist er eingepennt, holt ihn ein Streicheln aus dem Schlaf. Er ist gerührt, als er begreift, daß es seine Mutter ist, die zu ihm unter die Wolldecke geschlüpft ist: so zärtlich ist sie früher nie zu ihm gewesen.

Jetzt küßt sie ihn sogar, knabbert an seiner Ohrmuschel und atmet heftig hinein. Verstört fährt er hoch. Sie zieht ihn zurück, drängt sich an ihn und flüstert: Fick mich!

Ich bin Lutz, dein Sohn!

Da schlägt sie ihm ins Gesicht, springt auf und flieht mit wehendem Nachthemd aus dem Zimmer: ein Spuk, nichts weiter, erklärt er sich besoffen, reibt sich kichernd die Wange und dreht sich zur Wand.

Die Erkenntnis, daß sie ihn erregt hat, ernüchtert ihn.

Ein Missverständnis, murmelt er so lange vor sich hin, bis ihm die Bedeutung des Wortes schleierhaft geworden und er wieder weggesackt ist.


Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden